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Der Maler Daniel Richter im SPIEGEL-Interview über zivilen Widerstand: "Tomatensuppe auf meinen Bildern? Kein Problem. Können Sie abwischen"

SPIEGEL: Sie haben zwar nie in einem besetzten Haus gewohnt, sich aber in der Szene der Hausbesetzer bewegt. Wenn Sie heute jung wären, hätten Sie in #Lützerath Häuser besetzt?

Richter: Mir verharrt das alles zu sehr auf der symbolischen Ebene. Das Thema ist ernst, der Protest ist nicht immer ernst zu nehmen. Dürfte auch etwas aggressiver werden. Mich stört, dass da im Grunde immer die ganze Menschheit verantwortlich gemacht wird. Ich denke, es sind nicht die Menschen, es sind die von einigen Menschen gemachten und am Leben erhaltenen Strukturen.

SPIEGEL: Was wäre, wenn im Namen des Klimas Tomatensuppe auf einem Ihrer Gemälde landen würde?

Richter: Das wäre kein Problem! Ölgemälde sind quasi unzerstörbar, wie Autolack. Anders lautende Behauptungen sind Propaganda von Konservatoren, die müssen das sagen, um ihren Job wichtiger aussehen zu lassen. Tomatensuppe auf einem meiner Bilder können Sie abwischen und fertig.

SPIEGEL: Ziviler Ungehorsam ist also angemessen?

Richter: Der ist geradezu verpflichtend! Er ist der Beweis dafür, dass man in einer Demokratie lebt und nicht in irgendeinem anderen System.

SPIEGEL: Es heißt, Sie hätten in Ihren frühen Hamburger Jahren gelegentlich Lebensmittel in Delikatessenläden geklaut. Was ist aus Ihrer heutigen Sicht erlaubt, wo ziehen Sie die Grenze?

Richter: Es kommt bei dem Thema darauf an, von welchem Punkt aus man argumentiert. Geht es einem eher um Privatbesitz oder um die Menschenwürde? Ich bin eindeutig für die Menschenwürde. Besonders bei Mundraub. 30 Prozent aller Nahrungsmittel werden weggeschmissen, gleichzeitig gibt es Menschen, die zu unbegabt sind zu arbeiten oder sonst wie vom Schicksal gebeutelt. Die dürfen auch containern.